Grüne Revolution oder Marketingfalle? H&M, Zara und co. werden umweltbewusst



Grün, soweit das Auge reicht. Geht man durch die Stadt und schlendert zu H&M, Zara oder Vero Moda sieht man überall grüne Schilder mit Aufschriften wie „Conscious“ und „Sustainable“, was beides mit dem deutschen Wort „Nachhaltig“ übersetzt werden kann. Aber kann das wirklich sein? Große Firmen, die sich vor ein paar Jahren nur um ihre Verkaufszahlen gekümmert haben werden auf einmal zu nachhaltigen Revolutionären? 

„Bei meinem ersten Bewerbungsgespräch bei H&M habe ich eine Managerin kennengelernt, die wirklich mit ganzem Herzen hinter diesen Kampagnen ihrer Firma stand. Ich bin mir ganz sicher, dass sie fest davon überzeugt war, das H&M wirklich etwas zu der Rettung der Umwelt beitragen wollte“, erinnert sich Johanna. Die 20-jährige Studentin aus Bremen ist auf einem Bio Hof aufgewachsen und macht sich deshalb oft Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit. Trotzdem zählt sie zur Durchschnittskonsumentin von konventioneller Kleidung. Sie sei sich zwar bewusst darüber, wie viele Ressourcen bei der Herstellung verbraucht würden und wie Menschenrechte verletzt würden, nehme dieses aber in Kauf. Der Kauf neuer Kleidung gebe ihr ein zu gutes Gefühl. Dabei sei es egal ob „conscious“ draufstehe oder nicht. „Wenn ich ein Kleidungsstück aus einer dieser Reihen kaufe, fällt mir mein eigenes Verhalten noch stärker auf als sonst“, sagt sie. Das ist allerdings nicht der Regelfall. Laut Verena Erin, einer selbstständigen Designerin und Stylistin aus dem Bereich der nachhaltigen Textilindustrie, bieten die Läden diese Kollektionen an um ihre Kunden zu beruhigen und durch Marketing selbst besser dazustehen.

Was ist eigentlich "Nachhaltigkeit"?

Aber was genau vermarkten H&M und co. eigentlich? Was bedeutet Nachhaltigkeit und warum fühlt sich die Textilindustrie dazu gezwungen sich als nachhaltig zu vermarkten? Der Begriff wurde im 18. Jahrhundert geprägt, als die Hauptressource Holz war. Es wurde so viel Holz verbraucht, dass die Bäume nicht schnell genug nachwachsen konnten. Die Menschen fingen an sich Gedanken über ihren Holzverbrauch zu machen und legten fest, dass die zukünftigen Generationen auch noch die Chance haben sollten so viel Holz wie sie zu nutzen. „Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die den Bedarf der Gegenwart deckt, ohne der zukünftigen Generation die Möglichkeit zu nehmen ihren eigenen Bedarf zu decken“, heißt es  nach T. Young und M.P. Burton, die Nachhaltigkeit 1992 erstmals stichfest für die Landwirtschaft definierten. Kurz gesagt ist Nachhaltigkeit also der Verbrauch von möglichst wenigen bzw. nur den Notwendigen Ressourcen. 

Sogenannte Fast Fashion Läden leben davon, dass sie mehr als 12 Kollektionen pro Jahr auf die Kleiderstange bringen. Das bedeutet mehr als jeder Designer, die höchstens vier Mal im Jahr eine neue Kollektion präsentieren. Der Verbrauch von Ressourcen ist also nicht notwendig. „Wenn es H&M zum Beispiel Ernst wäre mit der Nachhaltigkeit und den ethischen Aspekten, würden sie ihr ganzes Fast Fashion Geschäftsmodell überdenken, denn Fast Fashion an sich ist einfach von Natur aus nicht nachhaltig“, sagt Verena Erin dazu.


Alles nur Marketing

Es ist also Marketing. In den letzten Jahren ist ein gesellschaftlicher Wandel entstanden, bei dem immer mehr Menschen versucht haben umweltfreundlicher zu leben. Die Textilindustrie hat darauf reagiert und versucht mit ihren Kampagnen wieder sozial akzeptiert zu werden. Dafür hat sich der Begriff „greenwashing“ (zu deutsch so viel wie: „grüne Wäsche“) etabliert. 
Johanna glaubt nicht an das greenwashing. Als sie bei Vero Moda als Aushilfe arbeitete fielen ihr Klamotten auf, auf deren Schildern stand, sie seien aus recycelten Plastikflaschen gemacht. Aber großartig darauf hinweisen sollte sie die „normale“ Kundschaft nicht. „Die einzige Partei der es durch diese Kampagnen besser geht, sind die großen Unternehmen selbst, da sie diese Kleidung für einen deutlich teureren Preis verkaufen und dem entsprechend einen noch größeren Gewinn an ihnen erzielen können.“ 
Tatsächlich sind diese „bio“-T-Shirts aber nicht viel teurer als die restliche Kleidung. H&M selbst sagt, dass sie das durch die großen Mengen finanziert die sie bestellt. Schaut man aber genauer in den Online Shop und auf die Schilder in T-Shirts sieht man zwar ein selbstentworfenes Label worauf „organic cotton“ zu lesen ist, findet das aber weder in der Materialbeschreibung online noch auf dem kleinen Schild im T-Shirt wieder. 
H&M ist teil der „Better Cotton Initiative“. Diese erlaubt zum einen genetisch modifizierte Baumwolle zum anderen aber auch recycelte Baumwolle aus konventionellem Anbau. Prinzipiell ist Recycling gut, echte Bio-Baumwolle wird es dadurch allerdings auch nicht. 
H&M benutzt nach eigenen Angaben auch zertifizierte Baumwolle, allerdings ohne anzugeben, durch welches Siegel oder mit welchen Richtlinien das Material zertifiziert wurde.  
Hierbei handelt es sich also um Marketing und sogar teilweise um „false advertising“ (also falsche Aussagen treffen um seine Produkte zu vermarkten).  
Das ist einer der Punkte wie sich greenwashing identifizieren lässt.
 
Wie man greenwashing identifiziert
Verena Erin findet, dass die Kunden mehr über die Firma von der sie kaufen wollen recherchieren sollten. Damit lassen sich auch vier generelle Richtlinien identifizieren, ob es sich nur um reines Marketing handelt oder ob das Unternehmen vielleicht tatsächlich nachhaltig ist. 
  1. „false advertising“. Wie oben gesagt trifft das Unternehmen falsche Aussagen um besser dazustehen und seine Produkte besser vermarkten zu können.
  2. Generelle Aussagen.Behauptet ein Unternehmen, dass seine Produkte umweltfreundlich produziert worden sind, kann dies viel bedeuten und vor allem missverstanden werden. Es wird nicht konkret gesagt, dass die Menschen einen fairen Lohn bekommen oder, dass möglichst wenig Ressourcen bei der Herstellung verwendet werden. Umweltfreundlich kann auch einfach heißen, dass Energiesparlampen in den Fabriken verwendet werden.
  3. Siegel. In dem Beispiel mit dem H&M T-Shirt war nur ein selbstentworfener Stempel auf dem „organic cotton“ stand. Richtige Siegel sind aber unabhängig und folgen strengen Richtlinien, wie z.B. das GOTS-Siegel.
  4. Andere umweltschädlichen Aspekte. Ist ein Kleidungsstück z.B. fair produziert worden und aus dem umweltfreundlichen Stoff Hanf gemacht gilt dieses erst einmal als nachhaltig. Was aber nicht beleuchtet wurde ist, dass der Hanf aus konventionellem Anbau kommt und Kinder ihn ernten mussten. Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine wirklich nachhaltige Firma, würden keine umweltschädlichen Aspekte von den guten Seiten verdeckt werden. 
Trotzdem, dass die Textilbranche sich nur in ein positives Licht rücken möchte, könnten diese Kampagnen zum Denken anregen. Verena Erin hofft, dass mehr Menschen sich Gedanken über die Herkunft und Produktion ihrer Kleidung machen, wenn das Thema an eine breite Masse getragen wird. Auch Johanna sagt sie möchte die Bemühungen der Unternehmen nicht schlechtmachen.
„Meiner Ansicht nach wäre es deutlich wichtiger die Thematik der Nachhaltigkeit den 'Kunden von Morgen' also unseren Kindern schon in einem jungen Alter näher zu bringen. Im Gegensatz zu jetzigen Konsumenten wären sie dadurch in der Lage solche häufig “leeren“ versprechen großer firmen zu identifizieren und insgesamt deutlich bewusster zu leben“. 

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